Mittwoch, 16. April 2014

Der Irrtum des verbitterten Träumers

Jetzt ist nicht das Wahre. Jetzt ist nicht alles. Zumindest nicht alles, was möglich ist. Das jetzt von morgen, das ist es. Erstrebenswert, atemberaubend, erfolgreich, grenzenlos. Dieser Moment ist nur der Anlauf. Man holt aus, um Hindernisse zu überfliegen und durchzustarten. Morgen, in einem Jahr, in der Zukunft. Jetzt ist nämlich nur. Jetzt ist nicht sogar.
Veränderungen erfolgen. Heute ist man nicht jener, der man vor einem Jahr war, und vor einem Jahr war man noch weniger jener, der man vor fünf Jahren war. Und doch. Wir nehmen den Moment nicht als solchen wahr, der er ist. Er ist nicht alles, sagen wir. Denn wäre er alles, wären wir jetzt schon viel mehr.
Wir schieben auf, denken an morgen – und vergessen dabei, dass heute gestern noch morgen war. Wir träumen. Von Wohlstand, Glück, Erfüllung, Erfolg. Aber wir tun nichts, wir träumen nun mal.
Heute in einem Jahr werden wir zurück schauen. So viel hätten wir erreichen können, haben wir aber nicht. Wir werden damit abschließen, nach vorne schauen mit Zuversicht und weiter träumen. So vergeht Jahr um Jahr. Ehe man sich versieht, naht das Ende. Trocken werden wir erkennen, dass unsere erstrebenswerte, atemberaubende, erfolgreiche, grenzenlose Zukunft nie mehr als ein Traum gewesen ist. Das, von dem wir denken, es zu wissen, werden wir ausstrahlen und es in die Welt hinaustragen. Ein ekelhafter Beigeschmack des Träumens: Die Einsicht, dass es nichts weiter als ein Traum gewesen ist, dass es niemals Zukunft war, dass es niemals hätte Zukunft sein können. Und so streichen jene Einhörner von ihrer Wunschliste, welche von besagter Weisheit hören. Warum träumen? Bringt es doch nur Schmerzen.
Aber wohl ist das der Fehler. Wir haben niemals an unser morgen, an unsere Zukunft gedacht. Wir haben niemals geplant, niemals geglaubt. Wir haben uns vorgestellt, imaginiert. Jetzt sind wir verbittert und meinen, das Recht dazu zu haben. Immerhin hat man uns Märchen erzählt, uns in die Irre geführt. Von wegen, man könne alles erreichen, das man erreichen wolle. Nichts weiter als eine riesige Lüge. Wir meinen geglaubt, gehofft, geplant zu haben.
Aber – haben wir denn? War es nicht viel mehr Wunschdenken als Zukunftsvision? Wie können wir enttäuscht von dem Ausbleiben dessen sein, das wir noch nichteinmal erwartet haben? Träume werden nicht wahr, werden niemals wahr.
Aber erträumte Zukunft, die wird wahr – wenn man denn das Heute als das gestrige Morgen erkennt und Wünsche aus der Zukunft in die Gegenwart holt.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen