Samstag, 1. Februar 2014

Wir, die Verurteilten

Ich glaube, dass wir meistens die Dinge an uns verändern wollen, die anecken. Denn wenn etwas auffällt, dann nehmen das unsere Mitmenschen bewusst wahr. Natürlich wird dann darüber geurteilt. Wir wollen aber nicht, dass andere über uns ein Urteil fällen. Immerhin kann daraus schnell eine Verurteilung werden.
Oft hört man, dass der erste Eindruck zählt. Der zählt auch. Nur habe ich fälschlicherweise früher gedacht, dass dieser unwiderruflich sei. Das ging dann in die Richtung von: Oh Gott, wenn ich erst mal vor den Augen aller im Bus Sitzenden stolpere, dann werden sie mich in Zukunft immer als die Gestolperte ansehen. Das tun sie dann vielleicht auch das nächste Mal wenn sie mich sehen. Wenn ich bei diesem nächsten – oder übernächsten – Mal aber standhaft bleiben kann, dann wird der erste Eindruck in den Hintergrund rücken. Und wenn sie meiner Standhaftigkeit nicht genug Aufmerksamkeit schenken, dass sie ihre Meinung ändern würden, dann hat das Stolpern nicht mal ansatzweise genug Wurzeln in ihrem Hirn gefasst, dass sie sich den Kopf über mich zerbrechen würden, weswegen meine Sorgen darüber, was andere wohl von mir denken, sinnlos wären, denn anscheinend beschäftigen sie sich nicht wirklich mit mir.
Das kann man als Erleichterung sehen. Die haben doch ihr eigenes Leben, ihre eigenen Sorgen. Ob da einer stolpert oder nicht, interessiert sie nach spätestens zwei Sekunden schon wieder herzlich wenig.
Und noch etwas. Wenn ich einen Rock mit Zebra-Muster, dazu ein schwarz-pink gestreiftes Top und drüber einen neon-grünen Blazer trage, dann wird mir das Urteil durch hochgezogene Augenbrauen unmissverständlich mitgeteilt. Jetzt habe ich mich aber umgezogen, trage blaue, einfarbige Jeans mit weißem T-Shirt und schwarzen Straßenschuhen. Was passiert? Gar nichts. Und das gibt den Menschen oft Sicherheit. Doch dieses Ignorieren einer Person, weil sie sich unauffällig kleidet, ist nicht minder eine Reaktion der Verurteilung als eine hochgezogene Augenbraue. Es entspricht dem Gedanken: 'Ach, die ist langweilig. Die muss ich noch nicht einmal bemerken.' Welches Urteil besser ist, darüber lässt sich streiten.

Menschen urteilen, egal was wir tun. Das liegt in ihrer Natur. Doch liegt es an uns, uns nicht zu verstecken und in die Hand zu nehmen, welche Reaktion folgen soll. Wir werden nämlich wahrgenommen, es geht letzten Endes nur um die Frage: Wie möchte ich wahrgenommen werden? Und zu guter Letzt: Urteilen tatsächliche Bedeutung zukommen zu lassen, ist unnötig. Denn sie werden dieser Bedeutung schlichtweg nicht gerecht. 

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