Wer kennt das nicht? Man
hat Ferien, die Augen sind noch halb geschlossen und eigentlich würde
man ja gerne weiterschlafen, aber die Frau Mama rennt im Flur schon
herum wie eine Verrückte. Sie ist also im Stress. Besuch oder so
kommt.
Da ich ja anständig bin,
steh ich also auf um ihr zu helfen. Aber erst mal Zähne putzen,
frühstücken, wach werden.
Dieses Erstmal kennt
meine Mutter wohl nicht. Ich trete aus dem Zimmer, in den Flur und
los geht’s.
Warum stehst du erst
jetzt auf?
Ich finde den Gedanken
verlockend, einfach wieder rückwärts im Zimmer zu verschwinden.
Aber nein, ich reiß mich zusammen und verschwinde stattdessen im
Badezimmer.
Als nächstes sitze ich
in der Küche. Ich hätte im Esszimmer essen sollen. Meine Mutter
scheint, tausend Sachen gleichzeitig zu erledigen. Dabei wirft sie
mir jede paar Sekunden so einen Blick zu. Diesen Blick. Ihr wisst
schon. Wie unverschämt es von mir ist, dass ich nicht schon mitten
in der Nacht aufgestanden bin und ihr am besten gleich die ganze
Arbeit abgenommen hätte.
Ich schiebe mir den
letzten Bissen in den Mund, stecke das dreckige Geschirr in die
Spülmaschine und mach mich darauf gefasst, in Beschlag genommen zu
werden – oder aufgefressen. Wir werden sehen.
Eier schälen, Gurken
schneiden, Geschirr waschen.
Meine Mutter begutachtet
die Gurken und flippt aus. So richtig.
Die sind doch viel zu
grob. Ich sollte sie fein schneiden. Man könnte mir ja nichts
zutrauen.
Es fehlt nur noch, dass
sie mich als schlechte Tochter bezeichnet. So weit lass ich es gar
nicht kommen und verschwinde.
Empört ruft sie mir
hinterher.
Sie hat also meinen
Morgen versaut, mich runtergemacht und es geschafft, aufgrund einer
Kleinigkeit, die ich falsch gemacht hab, Schlüsse zu ziehen, wie:
Man kann dir nichts zutrauen.
Ich würde überhaupt als
unverschämt und respektlos gelten, wenn ich etwas dagegen sagen
sollte. Meine Eltern – und meine Großeltern und so ziemlich jedes
alte Wesen – ist auch so schon der Meinung, dass ich zu viel mit
ihnen diskutiere.
Aber was ist die
Alternative? Einfach nichts sagen?
Sie ist ungerecht, nicht
rücksichtsvoll und verallgemeinert zu allem Übel.
Aber ich soll
rücksichtsvoll sein. Kritisiere ich sie, dann ist sie ja verletzt.
Und dann bin ich eine schlechte Tochter. Immerhin habe ich meiner
Mutter dann Leid zugefügt. Die Situation darf auf keinen Fall
verallgemeinert werden. Immerhin ist meine Mutter gerade gestresst.
Das zählt also nicht.
Ich bin also
rücksichtsvoll und verallgemeinere nicht, sehe die Situation als
Einzelfall.
Aber bin ich dabei auch
gerecht?
Ich lasse mit mir
umspringen, wie es anderen gerade gefällt und das nur, weil ich
dadurch meiner Rolle als Tochter gerecht werde. Des weiteren lasse
ich meine Mutter in dem Glauben, dass sie im Recht ist – obwohl sie
das definitiv nicht ist. Wenn das mal nicht den Wert Ehrlichkeit
übergeht.
Hier wiegt Respekt aber
schwerer.
Nur.. ist das gerecht?
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