Mittwoch, 15. Januar 2014

Verflüchtigte Gedanken

Und der Begriff, der eben noch auf meiner Zunge brannte, war mir unwiderruflich entfallen. Eigenartig ist unser Gedächtnis. Stehen wir vor einer roten Ampel und lassen unsere Gedanken willkürlich kreisen oder liegen wir von Dunkelheit umhüllt vor dem Einschlafen im Bett oder befinden wir uns inmitten eines öffentlichen Platzes, ja, dann befallen uns die besten Ideen. Doch sitzen wir angewiesen auf Einfälle vor einem leeren Blatt, dann bleibt es vermutlich auch leer.
Manchmal sind unsere Gedanken verblüffend genial. Halten wir sie jedoch nicht augenblicklich fest, so werden wir nie wieder eine annähernd vollkommene Version dessen verfassen können, das uns einst so unverhofft befiel.
Vielleicht hat das seinen Sinn. Bereits in der Antike stellten die Intelligenten das naturwissenschaftliche Kausalgesetz auf, das besagt: „Kein Ding entsteht planlos, sondern aus Sinn und Notwendigkeit.“
Vielleicht verhält es sich mit dem Entschwinden so, wie mit der Entstehung. Unser Einfall war möglicherweise gut, aber das geht doch noch besser. Und so müssen wir das Unbrauchbare aufgeben, um dem Großartigem Platz zu schaffen. Wodurch der Sinn und die Notwendigkeit des Vergessens erklärt wäre.
Das Große ist nun also da. Wir haben jedoch keinen Vergleich, da wir vergessen mussten. An das Gute entsinnt sich keiner mehr, doch bleibt es nachhallend als Erinnerung an das verlorengegangene Brillante präsent.
So verhält es sich also mit der Trauer um Vergessenes. Möglicherweise ist diese jedoch umsonst. Denn ist es nicht löblich dem Wichtigem auf diese Weise Entstehungsfreiraum zu gewähren?
Andererseits: Wenn wir vergessen, können wir auch keinen Fortschritt erzielen. Worauf sollen unsere entwickelten Einfälle aufbauen? Worauf ihre Entwicklung begründen? So gesehen, kämen wir nicht voran.

Also bedeutet Vergessen wohl doch einfach nur fehlerhaftes Menschsein. Und ich dachte schon einen Grund gefunden zu haben, um nicht das beklagen zu müssen, das nicht wieder zurückkehrt. 

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